Teamfoul – Das unbekannte Wesen (Folge 6)

Folge 6: Taktische Überlegungen bei Teamfouls

Für die Schiedsrichter spielen eigene Überlegungen, aber auch diejenigen der Spieler und Trainer keine Rolle. Stellen SR eine Regelwidrigkeit fest, die mit einem TF zu ahnden ist, sollen sie dieses auch anzeigen. Natürlich wird dabei – je nachdem für welchen Verein man die Daumen drückt – über jedes Teamfoul diskutiert, selbst über richtige Entscheidungen. Das ist auch kein Problem, solange es sachlich bleibt. Für eine gute Spielleitung der SR insgesamt ist es aber wichtig, dass zumindest jedes Teamfoul, das einen DFS auslöst, unstrittig ist.

Der clevere Abwehrspieler wird bei einem robusteren Vorgehen stets das Risiko abwägen. Schließlich bewirken die Teamfouls 1-9 erst einmal nur, dass die jeweiligen Gegenspieler im Rahmen ihrer Angriffsaktionen mehr oder weniger erfolgreich gestört werden konnten. Auch kann sich ein Abwehrspieler gleich zu Beginn des Spiels auf Kosten eines TF gleich schon einmal Respekt verschaffen. Ebenfalls dürften die weiteren TFs keine Rolle spielen, solange der eigene Torwart die direkten Freistöße (DFS) infolge der Ansammlung von TFs (10, 15, 20 usw.) entschärft. Merkwürdigerweise lässt die Schwelle zum DFS die gesamte Mannschaft dennoch zurückhaltender agieren, bevor sie die nächsten TFs wieder sorgloser angeht. Einfluss hat dabei auch der aktuelle Spielstand. Mit einem Vorsprung von mehr als 2 bis 3 Toren lässt sich ein 10. TF eher verschmerzen, als bei einem engen Spielstand. Ein SR darf sich an solchen Überlegungen jedoch nicht orientieren. Er sollte sie aber kennen.

Der erfolgsorientierte Angreifer (ANG) verfolgt eine gänzlich andere Strategie. Für ihn zählt auch noch, wie er durch geschicktes eigenes Verhalten, beim Gegner ein „Teamfoul ziehen“ kann, damit möglichst schnell die Schwelle zum DFS erreicht wird, und die eigene Mannschaft eine Chance auf einen Treffer erhält. Dies kann insbesondere in der Schlussphase eines Spiels entscheidend sein. Auch ließe sich der Gegner so am Ergebnis orientiert auf Abstand halten. Die SR müssen die entsprechenden Aktionen demnach lesen und einordnen können, ob der Abwehrspieler tatsächlich ein TF verursacht hat, oder ob sein Abwehrverhalten regelgerecht war. Der Abwehrspieler muss sich aber auch darauf verlassen können, dass die SR seine regelgerechte Abwehrarbeit auch als solche wahrnehmen und als regelkonform bewerten. Das Bestreben des Angreifers, ein TF durch den Gegner zu provozieren, ist kein Regelverstoß, sondern Teil einer intelligenten Angriffsstrategie. Dabei wird auch nicht etwa der SR getäuscht, sondern vielmehr der Abwehrspieler zu einem TF verleitet. Ein ebenso intelligenter Abwehrspieler wird diese Absicht erkennen und sein Abwehrverhalten darauf einstellen, d.h. er wird mit geringerer Intensität agieren und den ANG einfach nur ablaufen, ohne ihn zu attackieren. Er wird den ANG in einen für das eigene Tor weniger gefährlichen Bereich des Spielfelds abdrängen. Die aktive Balleroberung wird dabei der Verhinderung eines Abspiels untergeordnet. Dies erfordert ein diszipliniertes Handeln des gesamten Teams. Die Weltmeisterschaft der Senioren 2015 in Frankreich ist dafür ein guter Beleg. In keinem Spiel erreichte die deutsche Nationalmannschaft 10 Teamfouls. Am Ende stand sie auf Rang 4 und konnte Italien und Frankreich hinter sich lassen.

Aufgabe eines umsichtigen Trainers könnte es sein, bereits vor dem Spiel seine Mannschaft – auch auf die SR !! – so einzustellen, und auf einzelne Spieler während des Spiels so Einfluss zu nehmen, dass alle Mannschaftsangehörigen ihre Aktionen dem Erfolg unterordnen. Er könnte seine Spieler je nach Spielstand auch anweisen, zurückhaltender zu agieren (TFs vermeiden), die 45-Sekunden Ballbesitz auszuschöpfen, oder so zu handeln, dass sie den SRn kaum Gelegenheit geben, gegen sie zu entscheiden. Klar ist jedoch auch, eine härtere Gangart führt zwangsläufig auch zu mehr Teamfouls. Es soll allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass es möglicherweise SR gibt, die unterbewusst in jeden Körperkontakt ein TF hinein interpretieren, oder die die jeweiligen Aktionen ohnehin falsch einschätzen.

Doch was hindert eine Mannschaft eigentlich daran, bereits von Beginn an eine zurückhaltendere Taktik bei der Balleroberung zu fahren? Nichts. Das geht auch. Und es hat sogar den Vorteil, dass es vielleicht keinen DFS gibt, der einen erfolgreichen Spielausgang möglicherweise zunichte macht. Deshalb sollte sich ein TF stets lohnen. Unnötige TFs hinter dem gegnerischen Tor, an der Bande, aus Frust, bei unüberlegten Aktionen, die der Gegner zu seinem Vorteil nutzen kann, sind Merkmale eines schlechten Rollhockeyspiels. Verantwortlich sind hier aber nicht die SR, die die TFs wahrnehmen und anzeigen sollen, sondern diejenigen Spieler, die sie begehen, und ihr Trainer, der unproduktive Spielweisen nicht unterbindet. Substanzloses Lamentieren wie „Die anderen haben aber viel weniger Teamfouls als wir.“, helfen überhaupt nicht weiter. Teamfouls gehören zu einem Rollhockeyspiel, wie Penalties und Zeitstrafen. Die einen haben mehr, die anderen weniger. Fertig.

Und dass es eben auch anders geht, beweisen Woche für Woche die Mannschaften, die bei 9 TFs stehen und plötzlich die letzten 10 Minuten des Spiels das ominöse 10. TF vermeiden können. Die gegnerische Mannschaft wird argumentieren, dass sich die SR nicht mehr getraut haben, das 10. TF anzuzeigen. – Wie billig. Die SR werden argumentieren, die Mannschaft habe sich aus Angst vor dem bevorstehenden DFS mehr zurückgehalten als davor. – Ebenso billig. Tatsache ist aber, dass Mannschaften ihre Spielweise über das gesamte Spiel hinweg ständig verändern und den neuen Gegebenheiten anpassen können. Darauf reagieren auch die SR – meist unterbewusst. Es gibt dann entweder weniger oder mehr Entscheidungsbedarf bei den TFs. Schiedsrichterkritiker werden argumentieren, „die Unparteiischen hätten keine Linie bei den Teamfouls gezeigt. Und überhaupt kennen sich die meisten SR mit Teamfouls so wie so nicht aus.“ – Pauschale Kritik, der es – bezogen auf die Bundesligen – an Substanz fehlt und die den Leistungen der jeweiligen SR nicht gerecht wird. Hier steckt aber Potenzial für einen neuen Mythos im Rollhockey.

In der aktuellen Entwicklung des Rollhockey scheint sich abzuzeichnen, dass einige Aktionen, die bislang mit einer Blauen Karte bestraft werden, zunehmend als Teamfoul bewertet werden. Gemeint ist Art. 32.1.7 SPRGLN 2018. Als Beispiel für eine Blaue Karte ist hier neu formuliert: – Einen Gegner umreißen, sodass er hinfällt. Bis 2017 hieß es noch: Einen Gegner so aus dem Gleichgewicht bringen, dass er hinfällt. Diese Formulierung eröffnete Blaue Karten für alle möglichen Aktionen, bei denen ein Spieler dafür verantwortlich war, wenn sein Gegner hinfiel. Die jetzige Formulierung ist deutlicher, sie erfordert jedoch auch ein Umdenken. Die SR sind also gehalten, in solchen Situationen zukünftig je nach Ausprägung der Aktion zwischen TF und BK zu unterscheiden. Die Vielzahl der Fälle lassen sich jetzt als „absichtliche Behinderungen“ oder als Kontaktfouls werten, die dann in der Folge zu einem TF führen.

Umreißen“ liegt vor, wenn ein Spieler unter Einsatz von Händen oder Armen oder Schläger einen Gegenspieler so aus der Balance bringt, dass dieser Ball- und/oder Körperkontrolle verliert und zu Boden stürzt. Als Bestrafung sehen die Spielregeln dann eine BK gegen den Verursacher vor, einschließlich weiterer Maßnahmen gegen dessen Mannschaft. Die Problematik um die Zeitstrafen (Blaue Karte) und die Disqualifizierungen bzw. Feldverweise (Rote Karte) bieten genug Stoff für zukünftige Projekte.

Wie jede andere Sportart entwickelt sich auch Rollhockey ständig weiter. Einzelne Spielregeln kann man befürworten oder ablehnen. Die SR haben die Spielregeln nicht gemacht, es sind auch nicht ihre Regeln, aber sie müssen sie im Spiel möglichst einheitlich umsetzen. Wie sich die Spielregeln für Rollhockey in Zukunft verändern werden, wissen wir nicht. Vielleicht erfordert bald jede Ermahnung, für die das Spiel unterbrochen werden muss, zusätzlich ein Teamfoul. Das wäre dann ähnlich wie bei einer Blauen Karte bei laufendem Spiel, die zusätzlich zu einem DFS führt. Vielleicht erfährt die Gelbe Karte in ein paar Jahren eine Renaissance. Ständige Änderungen an den Spielregeln bei  fehlender Vereinfachung kann man durchaus kritisieren. Die SR sind dabei jedoch der falsche Ansprechpartner. Für alle Seiten gilt jedoch: Regeländerungen annehmen, alte Zöpfe abschneiden, überholte Regelauslegungen löschen.

Die Schiedsrichterkommission Rollhockey hofft, mit dieser Reihe zum Thema „Teamfouls“ für mehr Klarheit an der Bande, auf dem Spielfeld und auf den Rängen gesorgt zu haben. Auch im Rollhockey wird an jedem Spieltag viel diskutiert und manchmal sogar gelästert. Das ist auch in Ordnung so. Doch sollte dabei nie der Respekt gegenüber denjenigen außer Acht gelassen werden, die mit dem gleichen Engagement wie die Mannschaften Woche für Woche auf dem Spielfeld für die Einhaltung der Spielregeln sorgen müssen. Man muss eine andere Meinung nicht teilen, man darf sie dem anderen aber zugestehen. Und wir haben auch nur die SR, die wir haben. Andere gibt es nicht.

Dank an die Sportkameraden, die die Fotos bereit gestellt haben.