Teamfoul – Das unbekannte Wesen (Folge 3)

Teamfoul – Das unbekannte Wesen

Folge 3: Behinderung

In der vorherigen Folge hatten wir das Foulspiel „Regelwidriges Blocken“ näher beleuchtet. Bevor wir uns dem Foulspiel „Behinderung“ widmen, setzen wir kurz die SR-Brille auf und werfen noch einmal einen Blick ins Regelwerk. Art. 24.6 SPRGLN 2018 verlangt von den SRn, dass sie die Spielsituationen BLOCKEN und BEHINDERUNG richtig „lesen“ und beurteilen, sowie unterscheiden zwischen regelwidrigen und damit „strafbaren“ Aktionen (Behinderung und regelwidriges Blocken), die absichtlich ausgeführt werden und Körperkontakt mit dem Gegner beinhalten, und regelgerechten taktischen Handlungen von Angriffsspielern, die als solche den Wettbewerbscharakter fördern und nicht bestraft werden dürfen. Hier scheint der Knackpunkt zu liegen, an dem sich die Geister scheiden. Strafbare Aktionen sind also gekennzeichnet durch Absicht und Körperkontakt. Während die SR eine strafbare Aktion wahrnehmen, die zu ahnden ist, sind die Spieler in ihren Handlungen oftmals der Meinung, gar nichts Schlimmes gemacht zu haben. Dies Belegen Aussagen wie „Ich hab doch gar nichts gemacht.“ oder „Der ist von ganz alleine hingefallen.“ Doch darauf kommt es gar nicht an. – Dass SR in der Bewertung einer Aktion auch einmal falsch liegen können, ist nichts Neues. Blickwinkel, Zeitpunkt des Hinsehens, freies Sichtfeld, Ablenkungen durch andere Aktionen sind die Hauptursachen für Wahrnehmungsfehler, denen schließlich die falsche Entscheidung folgt. Dies gilt für SR genauso wie für Spieler und Mannschaftsangehörige auf der Reservebank. Jede Position liefert unterschiedliche Einblicke und Signale. Die absolute Entscheidungsbefugnis liegt jedoch beim Unparteiischen. Doch wie lässt sich aus einer begrenzten Informationsbasis, die der SR manchmal sogar nicht selbst zu verantworten hat, eine gute Entscheidung treffen??

Definition: Eine Behinderung ist eine regelwidrige Aktion, bei der ein Spieler absichtlich Körperkontakt mit einem Gegner herstellt, um Gegenmaßnahmen und/oder die Spielentwicklung zu verhindern. Das Regelwerk bietet den Akteuren die folgenden Beispiele an, um Behinderungen zu erkennen:

  • Sich einem Gegner in den Weg stellen oder ihm den Weg abschneiden, um zu verhindern, dass dieser ohne Ball weglaufen oder an der gerade laufenden Aktion seiner Mannschaft teilnehmen kann.

  • Einen Gegner gegen die Bande drücken, um zu verhindern, dass er den Ball spielt.

  • Sich am Torgehäuse oder an der Bande festhalten oder sich dagegen lehnen, um den Weg für einen Gegner abzusperren und ihn daran zu hindern, frei zu laufen.

Alle „Experten“ müssen verstehen, dass es sich dabei nur um Beispiele handelt. Die SR sind nämlich gehalten, auch andere Aktionen, die nicht beschrieben sind und dennoch die Kriterien für eine Behinderung erfüllen, entsprechend zu ahnden. Schließlich kann das Regelwerk nicht jede Aktion, die sich Spieler irgend wann einmal ausdenken, als regelkonform oder als regelwidrig aufnehmen. Vom SR wird erwartet, dass er regeltechnisch up-to-date ist. Bislang haben SR dasselbe von einem Spieler oder von einem Trainer noch nie angenommen. Es ist aber ein wesentliches Kriterium, an dem sich gute Spieler und gute Trainer, aber auch gute SR wohltuend erkennen lassen.

Welches sind also die Zauberworte? – Absichtlich Körperkontakt herstellen und Gegenmaßnahmen oder Spielentwicklung verhindern. Eine häufig zu sehende Aktion, die nicht als Beispiel aufgeführt ist, stellt das Auflaufen an der Bande dar. Spieler A3 läuft auf die Bande zu und kann noch vor seinem Gegenspieler B4 den Ball erreichen und diesen zum Mitspieler A5 abspielen, bevor er (A3) von B4 gegen die Bande gedrückt wird. B4 hindert A3 in diesem Beispiel also daran, frei zu laufen, damit sich A3 jetzt nicht mehr als Ballempfänger anbieten kann. B4 kann sich auch nicht mit fehlender Absicht herausreden. Schließlich hätte er noch rechtzeitig stoppen, einen anderen Weg wählen oder seine Geschwindigkeit den räumlichen Begrenzungen anpassen können. Andernfalls nimmt er gerne an, dass der Gegner jetzt an der unmittelbaren Spielentwicklung nicht teilnehmen kann – er gibt sich sozusagen dem absichtlichen Körperkontakt hin, versucht vielleicht noch, ihn zufällig erscheinen zu lassen. Die Voraussetzungen für ein Teamfoul sind dennoch erfüllt. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, dass B4 dies zu Beginn seiner Aktion schon beabsichtigt hatte. Entscheidend ist, dass es A3 unmöglich ist, seine Aktion zu entfalten. – Auch der Spieler A6, der ins Stolpern gerät, will seinen Gegenspieler B9 vielleicht nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Wenn B9 jedoch nicht mehr kontrolliert weiterlaufen kann und hinfällt, kann er an der Spielentwicklung nicht mehr teilnehmen. Hier lässt sich eine Absicht des A6 zwar schwieriger erkennen. Verliert jedoch B9 durch diese Aktion die Ball- oder Körperkontrolle, wird man um ein TF nicht herumkommen. Die Begründungslinie läuft dann eher auf ein normales Kontaktfoul hinaus, anstatt auf absichtliche Behinderung. – Gern lassen sich Spieler in solchen Situationen mehr oder weniger geschickt theatralisch fallen, um die SR zu einer Blauen Karte für den Gegner zu verleiten. Diese Spieler sollten aber wissen, dass sie damit selbst eine Ermahnung + TF riskieren (Vortäuschen einer Verletzung oder eines Fouls durch den Gegner), wenn sie versuchen, weiteren Profit aus dem Geschehen zu ziehen.

Auf einen einfachen Nenner gebracht, geht es also grundsätzlich darum, dass ein Spieler Körperkontakt mit dem Gegenspieler herstellt, um zu verhindern, dass dieser irgend eine Aktion ausführen kann (meistens frei laufen oder Ball abspielen). Hält ein Spieler also Abstand, wenn ein Gegner mit Ball und mit dem Rücken zum Spielfeld in einer Spielfeldecke stehen bleibt, dann zeigt er Spielintelligenz. Der Ball befindet sich in einem ungefährlichen Bereich des Spielfelds. Er muss nur geduldig warten und etwaige Passwege abdecken, um den Ball zu stibitzen. Der regelkundige Spieler weiß zudem, dass er den Ball ohne weiteres Zutun zum indirekten Freistoß erhalten wird. Denn der SR wird gleich den Regelverstoß des Gegners abpfeifen. Derjenige, der in einer solchen Situation nicht widerstehen kann und den Spieler attackiert, stellt dabei meistens Körperkontakt her und verhindert, dass der Gegner den Ball spielen oder dass er mit dem Ball frei laufen kann. BINGO – Teamfoul.

Ähnlich verhält es sich im Übrigen, wenn ein Spieler beim gegnerischen Torwart mit dem Schläger nach dem Ball stochert. Er stellt absichtlich Körperkontakt her (über den Schläger) und verhindert, dass der Torwart den Ball spielen kann. Viel sinnvoller wäre es doch, dieser Spieler würde warten, bis der Torwart den Ball spielt, um dann den freien Ball zu erobern. Spielt der Torwart den Ball nämlich nicht, riskiert er eine Entscheidung auf „absichtliche Blockierung des Balls“ mit der Folge eines Penalty. Was sich der vergeblich stochernde ANG dabei denken mag, soll hier nicht weiter interessieren. War der Ball nicht frei, ist die richtige Entscheidung ein indirekter Freistoß gegen ihn.

Ein Spieler, der den Ball führt, und den Arm eines Gegners festhält, weil dieser versucht, den Ball zu übernehmen, stellt absichtlich Körperkontakt her (festhalten) und verhindert so die Spielentwicklung durch den Gegner. PIEP – Teamfoul. Aber: Ein Spieler, der seinen Körper beim Laufen mit dem Ball so positioniert, dass ein Gegner den Ball nicht erreichen kann, handelt regelkonform! Das Spiel läuft ganz normal weiter. Selbst dann, wenn er seinen freien Arm oder den Schläger so hält, dass der Gegner deshalb den Ball nicht erreichen kann. Er verhindert somit zwar die Ballübernahme zur Spielentwicklung durch den Gegner. Den Körperkontakt stellt hier aber der Gegenspieler her!! Ob dies in jedem Fall auch ein TF ist, bleibt – je nach Vereinsbrille – eine ganz andere Frage. Die Entscheidung trifft aber in jedem Fall der SR, und nicht der Delegierte oder der Trainer oder ein Vereinspräsident. Handelt es sich nämlich um eine Aktion, die sich am Ball orientiert und die den Ballbesitzer trotz geringen Körperkontakts nicht weiter benachteiligt hat (also um eine geringe Beeinflussung), dann muss der SR das Spiel auch nicht unterbrechen, und er muss auch – wegen der Geringfügigkeit der Aktion – ein Teamfoul nicht anzeigen. Eine ganz andere Frage ist dabei, ob sich ein SR in solchen Situationen von außen beeindrucken lässt oder eben nicht. 

Das Regelwerk hält aber noch weitere Situationen bereit, in denen die SR ein Teamfoul anzeigen müssen. Diesen Fällen widmen wir uns in der nächsten Folge. Der eine oder andere wird vielleicht überrascht sein, und seine frühere Kritik an den Unparteiischen überdenken.

Ein Beitrag der Schiedsrichterkommission Rollhockey.