Wenn Farbe ins Spiel kommt (Folge 1)

Wenn Farbe ins Spiel kommt – Folge 1: Blaue Karte

In der letzten Serie für ein besseres Regelverständnis hatten wir uns dem schwierigen Feld der Teamfouls mit den unterschiedlichsten Ausprägungen gewidmet. Dabei haben wir gelernt, dass Teamfouls geringe Regelverstöße darstellen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt im Spiel ihre eigentliche Straffunktion entfalten – nämlich bei jedem 10., 15., 20., 25. usw. Teamfoul. Die jeweilige Mannschaft muss dann einen Direkten Freistoß (DFS) gegen sich abwehren. Besitzt ein Team einen exzellenten Torwart, der alle DFS erfolgreich abwehren kann, braucht man sich um Teamfouls keine Gedanken machen. Ein erfolgsorientierter Trainer wird darauf trotzdem eher nicht spekulieren.

Hinzu kommt, dass schlecht dosierte Teamfouls sehr dicht an einer Blauen Karte (BK) liegen können, die dann weitere Folgen nach sich zieht. Grund hierfür ist, dass die SR bei der Bewertung solch strafbarer Aktionen je nach Wahrnehmung auch schon einmal überbewerten können, d.h. sie schließen aus der Ausführung und dem Ablauf des Geschehens auf eine größere Strafbarkeit als tatsächlich gegeben war. Ursache hierfür ist in den meisten Fällen eine ungünstige Positionierung oder ein verstellter Blickwinkel zum Geschehen. Während die SR ersteres in gewissen Grenzen noch selbst optimieren können, lassen sich die Aktionen und Bewegungsabläufe der Spieler in ihrem unmittelbaren Blickfeld nicht verhindern. Ideal wäre es für die SR, wenn sie einen freien Blick zwischen die Akteure herstellen können – ohne irgendwelche Ablenkungen durch andere Interaktionen.

Doch bevor wir weiter machen, nehmen wir für einen kurzen Augenblick die Vereinsbrille ab und setzen die Schiedsrichterbrille auf. Was sagt das Regelwerk? – Zunächst einmal fordert Art. 32.1 SPRGLN 2018, dass „ernste Fouls“ mit einer Blauen Karte zu bestrafen sind. Die Regelmacher geben den Akteuren sogar an die Hand, was sie darunter verstehen. Demnach beinhalten ernste Fouls 

– Aktionen oder durch Gesten gezeigte Geringschätzung,
– Beleidigungen,
– Verstöße sowie Fouls, die die körperliche Unversehrtheit gefährden, so dass medizinische Hilfe notwendig wird, und/oder die dazu führen, dass jemand zeitweise nicht mehr am Spiel teilnehmen kann.

Darüber hinaus haben sie aktuell 10 Beispiele aufgeführt, die eine Blaue Karte nach sich ziehen. Die Beispiele sind nicht abschließend. Jede Aktion, die einer der HSR des Spiels als „ernstes Foul“ bewertet, ist dann auch zu sanktionieren. Wie bei jeder anderen Entscheidung im Spiel kommt es aber auch hier darauf an, ob und wie die HSR die Aktion wahrnehmen, und – auf der Basis der so gewonnenen Informationen – zu welchem Ergebnis ihre Bewertung führt, mit den sich daraus ergebenden weiteren Folgen.

1.1 Trainer, Spieler oder Torwarte im Bereich der Reservebank zeigen ein unzulässiges Verhalten, indem sie offenkundig mit Entscheidungen der HAUPTSCHIEDSRICHTER und/oder einem Angehörigen am ZEITNEHMERTISCH nicht einverstanden sind.

Die SR sind angehalten, nicht gleich beim ersten Aufreger mit der ganzen Härte des Regelwerks vorzugehen. Schließlich lebt auch unser Sport von Emotionen. Ist jedoch bereits eine Ermahnung erfolgt, sollten die Akteure zurückhaltender sein. Kein SR wird eine einmal getroffene Entscheidung zurücknehmen, es sei denn, es liegt ein offenkundiger Fehler vor, der eine Mannschaft zu Unrecht benachteiligt. Kleinere Unregelmäßigkeiten (z.B. wer zuletzt am Ball war, bevor er ins Aus gespielt wurde, unterschiedliche Auffassungen bei der leidigen Fußregel, beim Blocken oder bei geringen Körperkontakten, beim Zeitspiel usw.) sind ohnehin nicht zu ändern und hinzunehmen. Wer sich hier ständig aufregt und von der Reservebank aus z.B. mit ständigen Zwischenrufen oder eindeutigen Kommentaren die Spielleitung stört, muss eher früher als später mit Konsequenzen rechnen – zum Nachteil für seine Mannschaft. 

1.2 Spieler oder Torwarte auf dem Spielfeld protestieren gegen die HAUPTSCHIEDSRICHTER und zeigen, dass sie offenkundig mit ihren Entscheidungen nicht einverstanden sind (verbal, durch Gesten, demonstratives Kopfschütteln usw.)

Zeigen die Akteure auf dem Spielfeld ein solches Verhalten, müssen sie ebenfalls mit Konsequenzen rechnen. Auch hier spielt der Grad des Regelverstoßes eine Rolle. Wer sich in Wort und Ton verschätzt, wer missverständliche Gesten zeigt (z.B. Applaudieren oder Daumen hoch nach einer Entscheidung gegen den Spieler), wer jede Entscheidung gestenreich abfällig kommentiert, der darf sich nicht wundern, wenn die SR schließlich die BK gegen ihn ziehen. Und die Zündschnur ist bei manchen sehr kurz. Wie in anderen Sportarten ist auch im Rollhockey ein solches Verhalten gegenüber den Unparteiischen nicht erwünscht. Der clevere Spieler nimmt sich hier zurück, zumal er sich auf wichtigere Abläufe konzentrieren muss, wenn er erfolgreich sein will. Eine Erklärung wie „Ich habe doch nur meine Mitspieler gemeint und nicht den SR.“, hilft dem Verursacher dann auch nicht mehr weiter. SR haben andere Eskalationsstufen als die jeweiligen Trainer und Delegierten, die grundsätzlich die gegnerischen Spieler beschuldigen und die eigenen rechtfertigen. Das hilft nicht weiter.

1.3 Spieler oder Torwarte zeigen während des Spiels ein aggressives Verhalten gegenüber einem Angehörigen der gegnerischen Mannschaft, einem Schiedsrichter, einem Mitspieler oder den Zuschauern.

Im Rollhockey ist ein Verhalten dann als „aggressiv“ zu bezeichnen, wenn eine Person außerhalb des gemeinsam akzeptierten Kampfes um den Ball mit seiner Handlung bezweckt, einer anderen Person zumindest körperlich (unter Umständen sogar psychisch) Schaden zuzufügen. Das Spektrum reicht dabei von Drohungen durch Worte und Gesten über heftige Kontakte mit dem Schläger oder mit dem Körper bis hin zu respektlosem Benehmen gegenüber Offiziellen (HSR, ASR, Zeitnehmer, Schreiber etc.) – und sogar gegenüber den Zuschauern. Akteure, die sich in solchen Fällen entsprechend verhalten, riskieren einen vorübergehenden Ausschluss vom Spiel. Der Begriff des „aggressiven Verhaltens“ erfasst nicht, das im Rahmen des Regelwerks erlaubte „aggressive und lästige Arbeiten gegen den Ball“. Auch das „aggressive Pressing“ gegen den jeweiligen Ballbesitzer ist etwas gänzlich anderes. Hier liegt das Ziel in der Eroberung des Balls. Die Spieler wollen den Ballbesitzer zu einem möglichst unkontrollierten Abspiel oder sogar zum Ballverlust bringen. Aggressives Verhalten, das zu einer Blauen Karte führt, richtet sich jedoch primär gegen die körperliche Unversehrtheit von Personen.

In der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit weiteren Regelverstößen, bei denen die HSR eine Blaue Karte zeigen müssen. Der Ermessensspielraum für die Unparteiischen ist in allen Fällen recht gering. Deren berühmtes Fingerspitzengefühl können die Verursacher kaum noch einfordern, weil die Spielregeln in den meisten Fällen die Entscheidung bereits eindeutig vorgeben. Bis dahin können wir die Schiedsrichterbrille wieder absetzen.