Teamfoul – das unbekannte Wesen (Folge 1)
Oberflächlich betrachtet, könnte man meinen, die SR zeigen Teamfouls (TF) aus dem Bauch heraus an – also nach Gutdünken, wie ihnen gerade eben beliebt. Dass dem manchmal tatsächlich auch so ist, lässt sich nicht abstreiten. Schließlich sind Schiedsrichter ebenso wenig perfekt, wie Trainer und Spieler. Doch zeigen die Unparteiischen tatsächlich ein so uneinheitliches Bild bei der Anwendung der TF-Regel? Können Spieler, Trainer und Zuschauer viele Entscheidungen tatsächlich nicht mehr nachvollziehen, wie es immer wieder behauptet wird?
Art. 31.2.1 SPRGLN 2018: Die Hauptschiedsrichter zeigen dem Assistenzschiedsrichter – deutlich und durch besondere Zeichen – alle während des Spiels sich ereignende Teamfouls an.
Art. 7.8 Technische Regeln: Der Schiedsrichter, der das Foul anzeigt, streckt einen Arm senkrecht nach oben und signalisiert dem Zeitnehmer, ein Teamfoul zu notieren. Mit dem anderen Arm deutet er auf die Spielhälfte der Mannschaft, die das Foul verursacht hat.
Soweit also der formale Hintergrund zum Thema.
Nehmen wir die Vereinsbrille einmal ab und werfen wir einen Blick ins Regelwerk. Das ist immer gut. Artikel 31 SPRGLN 2018 hält zunächst fest, dass Teamfouls geringe Regelverletzungen sind, die sich während einer Spielunterbrechung oder im laufenden Spiel ereignen können. In der Pause, vor oder nach einem Spiel kann es also schon mal keine Teamfouls geben.
Im ersten Fall (Spielunterbrechung) geht es primär um drei Aktionen, die auf Spielverzögerung beim indirekten Freistoß ausgelegt sind – und zwar ausschließlich durch Akteure der abwehrenden Mannschaft:
- 3m Abstand zum Ball nicht einhalten,
- den Ball weg schlagen oder
- den Ball behalten und nicht herausgeben.
Andere Aktionen während einer Spielunterbrechung, wie z.B. „böse gucken“, können ein Teamfoul also nicht nach sich ziehen.
Während „Ball weg schlagen“ und „Ball halten“ sofort zu einem Teamfoul führen, wird der nette Schiedsrichter im Fall der Abstandsverletzung zunächst mündlich erinnern, bevor er bei anhaltender Ignoranz durch die Spieler das Teamfoul gegen sie anzeigt. Die Spieler sollten aber wissen, dass die Zündschnur dabei recht kurz ist, weil ein anhaltend zögerliches Verhalten der Abwehrspieler eher provozierend wirkt und einfach nur nervt. Dies gilt im Übrigen auch, wenn der SR die Spieler auf den regelgerechten Abstand gestellt hat, und diese unmittelbar wieder vorrücken, sobald sich der SR zurückzieht, um mit einem Pfiff die Fortsetzung des Spiels zu veranlassen – Bingo, Teamfoul. Der SR muss die Forderung des ausführenden Spielers auf Einhaltung des Abstands durch die Gegner auch nicht erst abwarten. Und wird der Abstand gefordert, obwohl die Abwehrspieler regelkonform 3m entfernt stehen, darf er auch sofort pfeifen. Die SR haben hier also einen bescheidenen Gestaltungsspielraum.
Besetzt jedoch ein Spieler bewusst die Stelle für den indirekten Freistoß und verhindert so durch seine Anwesenheit eindeutig, dass die andere Mannschaft das Spiel nicht fortsetzen kann, obwohl sie dies erkennbar möchte, dann kann das Teamfoul auch schon einmal sofort fällig werden. Doch warum handelt dieser Spieler so? – Nun, er verschafft seinen Mitspielern Zeit, die ungeordnete Abwehr zu formieren und einen etwaigen Gegentreffer bei schneller Ausführung durch die Gegner zu verhindern. Er unterbindet also eine schnelle Fortsetzung des Spiels. Damit handelt er regelwidrig, weil er sich oder seiner Mannschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft und die andere Mannschaft damit benachteiligt. Aufgabe der SR ist es nun, bei einem solchen Handeln für Ausgleich zu sorgen – Teamfoul gegen den Verursacher. Schließlich würde die Situation eskalieren, versuchte die andere Mannschaft ihr Recht zur schnellen Ausführung des indirekten Freistoßes robust durchzusetzen.
Teamfouls während einer Unterbrechung können sogar zu einem direkten Freistoß (DFS) führen, weil die Mannschaft des Verursachers bereits 9 TF angesammelt hatte. Verantwortlich für die Teamfouls sind aber nicht die SR, sondern die Spieler, die durch ihr Fehlverhalten beweisen, dass sie die Tragweite ihres Handelns nicht überblicken. Nicht nur die SR sollten im Blick haben, wenn eine Mannschaft die kritische Grenze von Teamfouls erreicht hat, sondern insbesondere eben auch die Spieler. Die Spielregeln gehen davon aus, dass die SR die Teamfouls wahrnehmen und regeltechnisch verarbeiten – diese Aufgaben lösen die einen besser, die anderen schlechter; die einen schneller, die anderen großzügiger; die einen beflissen konsequent, die anderen uneinheitlich. Vielleicht liegt hier mit ein Grund dafür, dass die Entscheidungen auf Teamfoul eher als beliebig empfunden werden. Allerdings müssen sich die SR aber auch selbst fragen, wie sie diesem Vorurteil begegnen können, und welche eigenen Maßnahmen zu einer einheitlicheren Sichtweise bei Teamfouls führen können.
Als hilfreich für alle Akteure hat sich im Übrigen das international eingeführte Anzeigesystem (sog. Türme) erwiesen, mit dem sich nicht nur die angemeldeten Auszeiten anzeigen lassen (grünes Licht), sondern eben auch die für einen Direkten Freistoß erreichte kritische Grenze von Teamfouls (rotes Licht). Bezogen auf die 1. Bundesliga und die Damenbundesliga wäre eine Nutzung der bei den international spielenden Vereinen bereits vorhandenen Türme von großem Vorteil und hilfreich für alle Akteure. Es braucht nur das entsprechende Licht ein- oder ausgeschaltet werden. Für diese Aufgabe muss nicht extra eine zusätzliche Person am Zeitnehmertisch gewonnen werden. Es entfällt sogar der bislang notwendige Hinweis an Trainer oder Delegierte, denn das Leuchtsignal kann jeder sehen – auch die Zuschauer.
In den nächsten Folgen erfahrt ihr mehr über weitere Teamfouls (falsches Blocken und Behinderung, einfache Kontaktfouls, Sonderfälle) und wann die SR sie anzeigen müssen.
Ein Beitrag der SR-Kommission Rollhockey im Januar 2019.