Gerade mal ein halbes Jahr dauerte das Engagement von Thomas Ullrich im Rollhockey-Komitee des europäischen Verbandes. Mit großer Hoffnung auf ein besseres Miteinander zwischen großen und kleinen Nationen, zwischen Profis und Amateuren nahm der Vorsitzende der Sportkommission Rollhockey im Sommer letzten Jahres die Entsendung als Vertreter des DRIV in das europäische Komitee an. Mit ebenso großer Ernüchterung und auch persönlicher Enttäuschung zieht der DRIV ihn jetzt offiziell aus dem WSE-Komitee wieder ab. Die Zusammenarbeit wurde vorher bereits durch World Skate Europe eingestellt.
In den letzten Jahren klagten die kleinen Nationen immer wieder über Entscheidungen zugunsten der großen und zulasten der kleinen Nationen. Sei es der Spielplan einer Damen-Europameisterschaft 2018 als Deutschland innerhalb von 22 Stunden zu drei schweren Begegnungen gegen Portugal, Frankreich und Italien antreten musste, England innerhalb von 26 Stunden gegen die Schweiz, Italien und Spanien spielen musste, oder die plötzliche Änderung des Spielmodus kurz vor Ablauf einer Einschreibefrist. Statt einer Female League mit Hin- und Rückspielen war plötzlich auch bei den Damen eine Euroliga in Gruppenphase vorgesehen. Die Konsequenz damals: Nur acht Teilnehmer aus Portugal, Spanien und Frankreich. Enttäuschung bei allen Teams, die sich auf ihre internationalen Auftritte über die Sommermonate hinweg gefreut hatten, sich die neue Spielrunde mit gleich drei Heim- und drei Auswärts-Spielen aber zu Beginn des Herbstes schon nicht mehr leisten konnten. Unverständnis bei ihren nationalen Verbänden für diese Entscheidung, die ohne vorherige Rücksprache einseitig vom europäischen Verband getroffen wurde.
Im April 2020 wurde nach dem Rückzug des WSE-Komitees von Fernando Graca eine neue Besetzung des europäischen Rollhockey-Komitees bekannt gegeben. Die kleinen Verbände hofften auf ein deutlich demokratischer besetztes Komitee, in dem ihre Bedürfnisse und Probleme mehr Berücksichtigung fänden. Als dieses aber erneut ausschließlich mit Portugiesen, Spaniern und Italienern und ohne jede Rücksprache mit den anderen Nationen besetzt wurde, regte sich erstmals ernster Widerstand. In der Folge gestand World Skate Europe die Aufnahme weiterer Mitglieder in das WSE-Komitee zu. Der DRIV entsandte seinen SK-Vorsitzenden und auch der französische Verband stellte einen Vertreter ab. Es gab tatsächlich Hoffnung auf ein Umdenken im europäischen Verband. Doch es sollte anders kommen, ein Umdenken setzte nicht ein, die Mitsprache der kleinen Verbände beschränkte sich auf die Teilnahme an den Sitzungen.
Anfang des Jahres brach der Konflikt zwischen den kleinen Rollhockey-Nationen Europas und World Skate Europe dann offen aus. Die Corona-Pandemie, genauer die Reisebeschränkungen, Quarantäne-Regelungen sowie Trainings- und Wettkampf-Verbote in ihren Ländern zwangen die nicht professionellen Rollhockey-Teams Ende Dezember zum Rückzug aus den europäischen Club-Wettbewerben, World Skate Europe hielt an den Wettbewerben ebenso fest, wie an den von allen Teilnehmern kassierten Startgeldern. Knapp 15.000 € verblieben so in der Kasse des europäischen Verbandes, der seine drei Wettbewerbe, reduziert auf die Profi-Teams aus Südeuropa, fortsetzen konnte. Bitten und Beschwerden der betroffenen Verbände und Vereine blieben allesamt erfolglos. Ein Entgegenkommen hätte vielen schon gereicht, doch es gab nicht einen Cent. So tragen die Amateure nun zur Finanzierung der Profi-Wettbewerbe bei. Eine Bitte um Stellungnahme der europäischen Club-Vereinigung (EHCA), der zu Jahresbeginn acht der neu Teilnehmer der Euroliga angehörten, blieb trotz zwischenzeitlicher Erinnerung bis heute unbeantwortet. Auch dies nur ein weiteres Zeichen von Geringschätzung. Aber warum auch nicht, den Vorteil haben ja die eigenen Teams aus Portugal, Spanien und Italien…
Es verstärkte sich nach Jahresbeginn der Widerstand. Die kleinen Rollhockey-Nationen Europas kamen zusammen, entwickelten einen gemeinsamen Vorschlag, den sie World Skate Europe auch mit einer gewissen Erwartungshaltung präsentierten, trugen ihren Unmut über die andauernde fehlende Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und Probleme im europäischen Verband vor, adressierten diesen auch an World Skate. Seit dem Mitte Februar schriftlich formulierten Wunsch nach mehr Demokratie, an dem sich neben sieben weiteren nationalen Verbänden auch der DRIV beteiligte, wurde Thomas Ullrich allerdings in keine Prozesse oder Entscheidungen im WSE-Komitee mehr eingebunden, erhielt keine Einladungen zu Videokonferenzen, keine erklärende Email, kein Anruf, nicht einmal eine WhatsApp-Nachricht. Es herrscht schlichtweg Funkstille. Dabei war der SK-Vorsitzende doch noch offizielles Mitglied des europäischen Rollhockey-Komitees. Also vor Ostern war er das jedenfalls noch. Karfreitag wünschte das Komitee allen nationalen Verbänden ein frohes Osterfest und führte seine Mitglieder auch gleich namentlich auf. Es fehlten Thomas Ullrich und sein französischer Kollege. Dass innerhalb des Komitees trotzdem, aber nun wieder unter völligem Ausschluss der kleinen Nationen gearbeitet wird, zeigt einmal mehr und recht deutlich die Geringschätzung seitens World Skate Europe, die dem Amateur-Sport in den kleinen nationalen Verbänden entgegen gebracht wird. So ist das WSE-Komitee wieder fest in südeuropäischer Hand, besetzt mit Sportfreunden nur aus Portugal, Spanien und Italien.
Auch die Antwort auf das Schreiben, in dem acht Nationen, immerhin zwei Drittel aller europäischen Rollhockey-Verbände, einen Vorschlag zur Einrichtung eines demokratisch besetzten Komitees unterbreiteten, fiel eindeutig aus. WSE-Präsident Fernando Claro sehe dafür keine Möglichkeit, da dieses nicht mit den World-Skate-Statuten vereinbar sei. Eine demokratische Mitbestimmung in internationalen Fragen, die sich unmittelbar auf die nationalen Verbände auswirken, sei nicht möglich? Nicht möglich, oder nicht gewünscht? Wer ein echtes Interesse an einem sportlichen Miteinander hat, der bietet doch wohl eher Lösungen als andauernde Absagen an. So bleibt die Ausrichtung, das Interesse seitens World Skate Europe weiterhin nur bei den südeuropäischen Nationen Portugal, Spanien und Italien.
Selbst eine Abfrage zur Teilnahme an den Europameisterschaften 2020 erreichte den Vorsitzenden der Sportkommission nur verzögert. Die verantwortlichen im deutschen Rollhockey erhalten wohl nur noch die Mitteilungen, die auch ohnehin an die Presse gehen. Zu Denken gibt dem DRIV zudem, dass es auch seitens der übergeordneten Stellen bei World Skate bisher kein Einschreiten oder Einwirken zur Lösung des Konfliktes gibt. Ein enttäuschter Thomas Ullrich: „Was auch immer wir tun, es wird uns alles negativ ausgelegt und führt nur dazu, dass wir noch weniger beteiligt werden“.
Im Februar hatte er eine mit dem schweizer Verband abgestimmte Liste mit Verständnis-Fragen zu den von World Skate im letzten Jahr ausgegebenen neuen Spielregeln an den Welt-Verband gerichtet. Bis heute wurde keine der offenen Fragen, trotz zwischenzeitlicher Bitte um Rückmeldung, beantwortet. Die neuen Spielregeln sollen im September in den nationalen Wettbewerben umgesetzt werden. Wie soll das zufriedenstellend gelingen, wenn man nicht weiß, wie unklar und widersprüchlich formulierte Punkte von unseren Schiedsrichtern ausgelegt werden sollen?
Das praktizierte Verhalten aus Missachten und Ignorieren durch die internationalen Verbände, stellt einen klaren Verstoß gegen den sportlichen Anstand, ethische Prinzipien und einen fairen Umgang miteinander dar. Der Vorstand der Sportkommission Rollhockey im DRIV sah nun keine Basis mehr für eine weitere gemeinsame Arbeit mit World Skate Europe und gab gestern bereits bekannt, an keiner Europameisterschaft in diesem Jahr teilzunehmen. Auch der SRHV veröffentlichte heute seinerseits die schweizer EM-Absage für 2020. Der Vorstand der Sportkommission bat zudem das Präsidium des DRIV darum, ihren Delegierten aus dem WSE-Komitee nun auch offiziell zurück zu ziehen. Das ist gestern Abend passiert. „Wir hatten große Hoffnung, dass mit dem personellen Wechsel im WSE-Komitee im Frühjahr 2020 eine deutlich engere Einbindung der nationalen Verbände angestrebt würde“, so auch DRIV-Präsident Egbert Schulze, der in seinem Schreiben an World Skate ebenfalls seine Enttäuschung über die aktuelle Entwicklung ausdrückte.
Thomas Ullrich wird die Interessen des DRIV im europäischen Rollhockey jedoch weiterhin vertreten. Mit viel Elan gibt er einen kleinen Ausblick auf die weitere Entwicklung im internationalen Kontext: „Wir haben einen sehr intensiven und zukunftsorientierten Austausch mit unseren Partner-Verbänden. Diesen wollen wir zeitnah auch noch deutlich ausbauen, ihn auf verschiedenen organisatorischen Ebenen mit Leben füllen. Wenn die kleinen Nationen enger zusammenrücken, dann können wir gemeinsam viel mehr bewegen, als es World Skate oder World Skate Europe jemals für uns getan hat. Gerne schlagen wir dafür auch ein neues Rollhockey-Kapitel in Europa auf.“