Teamfoul – Das unbekannte Wesen (Folge 5)

Folge 5: Besondere Situationen

Wenn SR versuchen, das Spiel möglichst laufen zu lassen, und die körperliche Unversehrtheit der Spieler nicht gefährdet ist, lässt sich die Attraktivität eines Rollhockeyspiels innerhalb bestimmter Grenzen durchaus steigern.
Dennoch werden die SR bei den meisten Teamfouls (TF) das Spiel unterbrechen, um sie anzuzeigen. Handelt es sich aber um eine geringe Beeinflussung, die den Ballbesitzer nicht weite
r benachteiligt, dann muss der SR das Spiel nicht unterbrechen und er muss auch – wegen der Geringfügigkeit der Aktion – ein TF nicht anzeigen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es sich hierbei nicht um Vorteilsituationen handelt, sondern lediglich um bloßes Weiterspielen, um fortgesetzten Ballbesitz. Eine solche Spielleitung kann man auch als „großzügige Linie“ bezeichnen, im Gegensatz zur „kleinlichen Linie“, bei der die SR alles abpfeifen, ohne auf den Spielfluss zu achten. Kleinlich zu pfeifen, kann bei aggressiven Spielweisen der Spieler durchaus schon einmal angebracht sein. Dennoch dürfen die SR Aktionen mit geringer Intensität gegen einen Gegenspieler durchaus auch tolerieren, wenn sich z.B. Kontakte gegen den Schläger ereignen, bei denen der Verursacher ausschließlich Ball orientiert vorgeht, und bei denen mit dem Schläger nicht zum Schlag ausgeholt wird (keine Abwärts- oder Seitwärtsbewegung des Schlägers). Ebenso ist zu verfahren bei geringen Kontakten gegen die Schienbeinschützer oder gegen die Rollschuhe – auch hier muss der Fokus des Akteurs auf einem „Ball orientierten Vorgehen“ liegen. Die Spielregeln sprechen in diesem Zusammenhang von „wiederholt“ und „heftig“, wenn ein TF gefordert ist. Hat der Verursacher also den Ballbesitzer so erheblich beeinflusst, dass er diesen eindeutig benachteiligt hat (Ballverlust, Ballbesitzer gerät ins Stolpern oder fällt sogar hin usw.), dann ist zu unterbrechen und das TF anzuzeigen. Ziel der TF-Regel ist nämlich nicht, jede Kleinigkeit zu bestrafen, sondern schwereren Fouls und Revanche-Fouls vorzubeugen, indem klare Benachteiligungen ausgeglichen werden.

Dies erfordert jedoch eine einheitliche Anwendung der TF-Regel. Hier müssen die SR mit Bundeslizenz und allen voran die SR mit internationaler Lizenz Einheitlichkeit zeigen. Eine solche Forderung ist zwar schnell gestellt, ihre Umsetzung jedoch nicht zuletzt aufgrund der individuellen Fähigkeiten und der unterschiedlichen Ausbildungsgrade der SR schwierig zu bewerkstelligen. Aber auch Spieler und Trainer sind in der Verantwortung anzuerkennen, wenn nicht jede Kleinigkeit zu einer extremen Strafe gegen den Gegner führt. Wer dies für die eigenen Spieler fordert, der sollte es auch den gegnerischen Spielern zugestehen – selbst wenn dies schwer fällt.

Folglich: Hat der SR eine geringe Regelwidrigkeit erkannt und lässt er das Spiel trotzdem weiterlaufen, um den Spielfluss zu erhalten, dann muss auch das Zeichen für „Vorteil/Weiterspielen“ erfolgen. Dadurch macht der SR deutlich, dass er die Regelwidrigkeit wahrgenommen und als gering bewertet hat. Er kann damit dem Vorwurf begegnen, eine angebliche Regelwidrigkeit nicht gesehen zu haben. 

Darüber hinaus ist ein TF nur dann bei weiterhin laufendem Spiel anzuzeigen, wenn der Einfluss des Verursachers erheblich war und sich eine eindeutige Chance zeigt, einen Treffer erzielen zu können. (3 gg 2, 3 gg 1, 2 gg 1, 2 gg TW, 1 gg TW).

Wenig bekannt, ist auch Art. 25.5 SPRGLN 2018. Die SR müssen die Situationen stets auf Unsportlichkeit und ethisch verwerfliches Verhalten der Spieler überprüfen, wenn diese versuchen, von angeblichen gegnerischen Fouls, die aber tatsächlich keine sind, profitieren zu wollen. Die Regelmacher haben die vorgenannten Begriffe für Rollhockey leider nicht definiert. Es liegt also im Ermessen des SRs, wie er diese unbestimmten Begriffe auf die Aktionen auf dem Spielfeld anwendet. In jedem Fall werden die Mannschaften eine eigene Sichtweise dazu haben. Solche Situationen ereignen sich sehr oft in bestimmten Handlungsabläufen wie den folgenden:

Ein Spieler, der im gegnerischen Strafraum den Ball führt, versucht, dass einige Spielsituationen als Fouls gewertet werden, indem er – zum Beispiel – seine Angriffsaktion abbricht und den Ball gegen den Körper oder die Schutzausrüstung des Torwarts spielt, der gerade vorübergehend keinen Schläger in seiner Hand hält, oder gegen den Körper eines Abwehrspielers, der gerade hingefallen ist und in seinem Strafraum auf dem Boden liegt. Früher gab es dafür einen Penalty. Das hat sich allerdings inzwischen überholt, die Datenspeicher im Gehirn dürfen in diesem Punkt gerne gelöscht werden. Heute ist der Spieler für seine Aktion zu ermahnen, und er kassiert ein TF. War der Verursacher bereits ermahnt, müssen ihm die SR sogar die Blaue Karte zeigen. Seine Mannschaft muss eine Zeitlang in Unterzahl spielen. Gleiches gilt, wenn Spieler versuchen, die SR dadurch zu täuschen, dass sie vorgeben, aufgrund eines technischen Fehlers oder aufgrund eines strafbaren Verhaltens eines Gegners benachteiligt zu sein, um so – unzulässigerweise – für ihre Mannschaft einen Vorteil zu erhalten. (Art. 25.5.1.2 SPRGLN 2018) Allerdings lässt sich die Täuschungsabsicht in solchen Situationen nur schwer feststellen. Schließlich können sich Spieler ja auch einmal irren.

Art. 26.3.5 SPRGLN 2018 schreibt den SRn vor, die Vorteilsregel nicht anzuwenden, wenn das TF „aufgrund seiner selbst“, oder weil es als 10., 15. usw. TF einen DFS nach sich zieht. „Aufgrund seiner selbst“ bedeutet, dass mit dem TF dem Gegner eine eindeutige Chance auf einen Torerfolg genommen wird – wie mit jedem anderen geringen Regelverstoß auch.

Beispiel 1: A4 spielt B2 vor dem Strafraum B den Ball durch die Beine und will um B2 herumlaufen um dann den TW auszuspielen; B2 hält A4 fest oder er stellt seinen Körper in den Laufweg von A2 (TF) = sofort DFS gegen Team B; TF wird nicht angezeigt und auch nicht gezählt.

Beispiel 2: Team B steht bei 9 TFs; A4 spielt B2 den Ball hinter der Mittellinie durch die Beine und will um B2 herumlaufen, um dann den nächsten Gegner auszuspielen; B2 hält A4 fest (10. TF) = TF wird angezeigt und auch gezählt; Spielfortsetzung mit DFS gegen Team B.

Diese Beispiele zeigen auf, dass es für die SR auch einmal unübersichtlich werden kann, insbesondere wenn sich mehrere Regelverstöße mit TFs unter Beteiligung von Spielern beider Mannschaften ereignen. Alle Beteiligten sollten dann bedenken, dass SR schließlich keine Maschinen sind und in solchen Situationen auch schon einmal an ihre Grenzen stoßen können. – Und ja, manche auch schon früher!

Ist ein Verursacher – zum ersten Mal und bei laufendem Spiel – für einen Regelverstoß verantwortlich, der gemäß Artikel 30 Ziffer 3.1.1 (Vortäuschen einer Verletzung oder eines Fouls durch den Gegner) + 3.1.2 SPRGLN 2018 (ohne Erlaubnis durch die HSR über die Bande steigen) eine Ermahnung nach sich zieht, dann müssen die SR zusätzlich zu der Ermahnung auch ein TF anzeigen. Ereignen sich diese Regelverstöße während einer Unterbrechung, bleibt es bei der Ermahnung, ein Teamfoul ist dann nicht anzuzeigen. Denn in Folge 1 haben wir ja gelernt, dass es in einer Unterbrechung nur wegen Verzögerungen ein TF geben kann.

Welche Besonderheiten sollten Schiedsrichter, Spieler und Trainer noch über Teamfouls wissen? – Manchmal kann es vorkommen, dass HSR1 ein TF gegen Mannschaft A anzeigt, und HSR2 gleichzeitig ein TF gegen Mannschaft B. Während SR-Kritiker daraus eine uneinheitliche Spielleitung ableiten, sehen die Betroffenen solche Aktionen wesentlich entspannter. Sie besprechen sich kurz und präsentieren anschließend eine Lösung zur Spielfortsetzung. Dem kann man zustimmen oder auch nicht. – Warum kommt es aber zu diesen unterschiedlichen Entscheidungen? Nun, beide HSR haben allem Anschein nach Aktionen verschiedener Spieler im Blick gehabt. Schließlich sollen nicht beide gleichzeitig auf den Ball schauen. Während HSR1 vielleicht gerade A2 und den Ball führenden B4 beobachtet, hat HSR2 B3 und den TW-A10 im Blick. An beiden Orten ereignet sich nun ein TF: A2 gegen B4 im Kampf um den Ball, und B3 im Kontakt mit dem TW-A10 in dessen Schutzzone. Die SR müssen also eine Lösung finden entweder über die Schwere der Regelverstöße oder über deren zeitliche Abfolge unter Berücksichtigung der Spielunterbrechung – nicht immer ganz einfach, letztlich aber auch kein besonderes Geheimnis.

Zeigen die HSR gleichzeitig mit dem akustischen Signal des Zeitnehmers zum Ende eines Spielabschnitts ein TF an, das gegen die Mannschaft des Verursachers einen DFS nach sich zieht, muss der Schütze den DFS gemäß Art. 31.3.4 SPRGLN 2018 auf jeden Fall noch mit einem direkten Schlag auf das gegnerische Torgehäuse ausführen. Es ist in diesem Fall nicht mehr erlaubt, den Ball gegen den TW zu dribbeln, schließlich ist der Spielabschnitt beendet. 

Über Art. 35.1.2 SPRGLN 2018 sind die SR aufgefordert, TFs auch sofort mit einem DFS zu ahnden, wenn die TFs darauf abzielen, einen „möglichen Torerfolg“ für die gegnerische Mannschaft zu verhindern. Die Regelmacher haben auch den „möglichen Torerfolg“ nicht weiter präzisiert. Zum Leidwesen aller Beteiligten bietet sich auch hier wieder Raum für eigene Sichtweisen. Derzeit gilt: Eindeutige Torchance, möglicher Torerfolg, klare Torgelegenheit usw. sind Begrifflichkeiten, die letztlich alle das gleiche meinen – eine Situation, in der ein Spieler mit Ball- und Körperkontrolle in unmittelbarer Nähe zum gegnerischen Strafraum oder darin die Gelegenheit erhält, einen Treffer zu erzielen, und kein Gegenspieler dies regelkonform verhindern könnte. Die Definition schließt auch einen Spieler ein, der unmittelbar für eine Ballübernahme bereit ist, um anschließend einen Treffer zu erzielen.

Ebenso gelten Spielsituationen als „eindeutige Torchance“, wenn ein Spieler als Ballbesitzer oder potenzieller Ballempfänger allein auf den gegnerischen TW zulaufen kann, um diesen zu überwinden, und Gegenspieler dies nicht mehr regelkonform verhindern können. Darüber hinaus erweitert eine Auswechslung des TW gegen einen zusätzlichen Feldspieler die Möglichkeiten auf einen Torerfolg enorm, weil das Torgehäuse leer ist, und nun ein Treffer auch aus größerer Entfernung möglich wäre.

In der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit taktischen Überlegungen rund um das Thema „Teamfouls“ und welche Bedeutung daraus für die SR erwachsen.

Ein Beitrag der Schiedsrichterkommission Rollhockey